Virgin Boards - Leiterplatten mit einer mittleren Lage
SMD-Baugruppen leben leider nicht ohne periphere Anschlusstechnik.
Inzwischen gibt es zwar schon einige oberflächenbestückbare Steckverbindungen, dennoch müssen immer noch einige Bauteile manuell auf ein SMD-Board bestückt und anschließend per Wellenlötung oder mit Hilfe einer Selektivlötanlage eingelötet werden.
Das bedeutet zwangsweise einen zweiten Bearbeitungsschritt bei der Bestückung von SMD-Baugruppen und aller damit verbundenen zusätzlichen Arbeitsschritte, von der Arbeitsvorbereitung angefangen, über die eigentliche Bestückung bis hin zur abschließenden zweiten Qualitätsprüfung der durchgeführten Arbeiten.
Hinzu kommen die Dokumentationspflichten, die auf Grund der ISO-Vorschriften zu erfüllen sind.
Ziel bei der Entwicklung
Ziel bei der Entwicklung unserer Virgin-Boards war es, dass unsere Kunden diesen zweiten Bearbeitungsschritt komplett einsparen können und die Baugruppen nur noch mit Lotpaste bedrucken müssen.
Anschließend alle konventionellen Bauteile einsetzen und dann von der anderen Seite die SMD-Bestückung mit einem Automaten durchführen können. Wir haben das Ziel erreicht!
Die Umsetzung
Die Aufgabe lag darin, ein Verfahren zu entwickeln, mit dessen Hilfe die Bauteile mechanisch so in der Leiterplatte gehalten werden, dass sie nach der Bestückung nicht mehr herausfallen können und die Leiterplatte damit nun um 180 Grad gewendet werden kann.
Daraus entstand die Idee, eine dünne Kupfermembran in die Mitte der Bohrlöcher einzubringen, die dem konventionellen Bauteil nach der Bestückung einen mechanischen Halt verleiht.
Aus dieser Idee heraus entwickelten wir Leiterplatten mit einer mittleren Lage. Das ist sehr ungewöhnlich, weil 3-lagige oder 5-bzw. andere ungeradzahlige Lagenschaltungen nicht üblich sind.
Wir haben also im einfachsten Fall eine 3-lagige Schaltung, bestehend aus zwei Außenlagen und einer Mittellage:
Die mittlere Lage
Die mittlere Lage dient als Membranschicht im Bohrloch. Sie wird mit einer Bohrung versehen, deren Durchmesser kleiner sein muss, als der Anschlussdraht des konventionellen Bauteils.
Durch umfangreiche Versuche konnten wir für alle gängigen Drahtdurchmesser die dazu passenden Membranlochdurchmesser ermitteln.
Alles in einem Arbeitsgang
Wird nun das Board mit konventionellen Bauteilen bestückt, wird die Kupfermembran durch den Bauteiledraht durchstochen und das Membranloch entsprechend dem Drahtdurchmesser geweitet.
Dadurch entsteht ein Widerhakeneffekt. Der Bauteiledraht verankert sich in der Membran. Ein Herausrutschen des Bauteils aus den Bohrungen wird verhindert.
Der praktische Ablauf
Zunächst wird das Virgin-Board mit Lotpaste bedruckt. Dazu wird ein herkömmlicher Pastendruckautomat verwendet, der in einem Arbeitsschritt alle SMD-Pads und auch die Membranbohrungen mit Lotpaste bedeckt.
Anschließend wird die bedruckte Leiterplatte aus dem Druckautomaten geführt und an einen Handbestückungsplatz weitergeleitet. Dazu kann eine verkettete Anlage mit handelsüblichen Transportsystemen erweitert werden, die ein Ausschleusen von Leiterplatten nach dem Bedrucken ermöglichen.
Die Platte wird nun gewendet und mit konventionellen Bauteilen bestückt. Beim Bestücken wird ein Teil der Lotpaste an den Anschlussdrähten der Bauteile hängen bleiben.
Das ist jedoch ein gewollter Effekt, da die Lotpaste zusätzlich dafür sorgt, dass die Bauteile sicher in der Membranbohrung gehalten werden. Anschließend wird nun die bestückte Leiterplatte wieder gewendet und in den Bestückungsautomaten zurückgeführt. Während der SMD-Bestückung hängen dabei die konventionellen Bauteile „kopfüber“ nach unten. Danach erfolgt das übliche Reflowlöten aller bestückten Bauteile.
Ihr Vorteil
Der wirtschaftliche Vorteil dieses Verfahrens wird deutlich, wenn die Kosten der eingesparten Arbeitsgänge hochgerechnet werden. Der etwas höhere Preis der Virgin-Board-Technik wird durch die Kostenreduzierung in der Produktion um ein Mehrfaches aufgehoben.
Weder eine Selektivlötanlage, noch eine konventionelle Bestückung mit anschließender Wellenlötung sind preiswerter. Die Virgin-Board-Technologie bringt jedoch nicht nur Vorteile in monetärer, sondern auch in technischer Hinsicht.
Umfangreiche Versuche haben ergeben, dass bei thermisch stark ableitenden Bauteilen die dort sonst übliche Gefahr von kalten Lötstellen auf Null reduziert wird, denn durch den unmittelbaren Kontakt des Anschlussdrahtes mit der Kupfermembran werden Luftspalte in der Lötstelle ausgeschlossen.
Die mechanische Festigkeit zwischen Lötauge und Leiterplatte ist um ein Vielfaches größer.