So ist es, wenn Kunst und Technik jammen 19.02.2020

Interview • https://www.network-wf.de/so-ist-es-wenn-kunst-und-technik-jammen/

NETWORK: Frau Rios, können Sie uns kurz erklären, was die Fa. Neuschäfer genau macht?

Rios: Sehr gern! Wir fertigen und entwickeln Leiterplatten für Elektrogeräte. Leiterplatten sind die Schaltzentren eines elektronischen Geräts, quasi dessen Gehirn. Auf ihnen laufen alle Informationen zusammen und werden verarbeitet. Theoretisch ist mithilfe von Leiterplatten alles möglich. Unsere Kunden kommen mit einer Idee und wir suchen mit ihnen nach Möglichkeiten und Lösungen diese umzusetzen, ganz nach dem Motto „Geht nicht, gibt’s nicht”. Unsere Produkte finden sich heute beispielsweise in Flugzeugen wie dem Airbus A 350, Hubschraubern, aber auch in Kühlschränken und intelligenten Toastern. Daran ist zu sehen, wie multifunktional sie sind und was für einen breiten Anwendungsbereich diese Platinen haben.

NETWORK: Das klingt sehr technisch. Wo nehmen Sie als gelernte Designerin die Leidenschaft für diesen Bereich her?

Rios: Sehen Sie sich eine Leiterplatte mal genau an. Die ganzen feinen Verbindungen, Ätzungen und Lötungen ergeben auf der Platte stets ein Gesamtbild, was einem Gemälde gleichkommt. Für uns spielt beim Design der Platten daher auch Ästhetik eine entscheidene Rolle. Gerade unsere flexiblen Leiterplatten haben unendlich viele Formen. In Helikoptern beispielsweise werden häufig luftschlangenartige Leiter verwendet, die unempfindlich sind gegen Stoß- und Zugkräfte. In anderen Geräten kommen hingegen Leiterplatten zum Einsatz, die einer unendlich langen Filmrolle ähneln. Die Fülle an Formen und Variationen ermöglicht es uns, auch künstlerisch tätig zu werden. Unsere Kunden sollen sich die Leiterplatten anschauen und erkennen können, dass sie bis ins letzte Detail durchdacht und designt worden sind.

NETWORK: Dieser Markt ist mit Sicherheit hart umkämpft. Wie setzen Sie sich gegen Wettbewerber durch?

Rios: Unsere Branche steht unter einem hohen Preisdruck. Gerade aus dem asiatischen Raum drängen Wettbewerber mit Tiefstpreisen auf den Markt. Wir versuchen der Konkurrenz jedoch technisch immer einen Schritt voraus zu sein und durch Innovationen zu überzeugen. Zudem genießen wir auf dem Weltmarkt den Ruf eines deutschens Qualitätsprodukts, wir fertigen quasi die Prestige-Leiterplatte. Das gelingt uns auch, weil wir viel Wert darauf legen, in Deutschland zu produzieren. In Frankenberg haben wir zwei Standorte, die nur 300m Luftlinie voneinander getrennt sind, und ein Vertriebsbüro in Stuttgart.

NETWORK: Wenn man durch Ihr Firmengebäude geht, ist nicht zu übersehen, dass Sie Kunst lieben. Auf welche Weise beeinflusst sie ihr Berufsleben?

Rios: Ich versuche stets das Positive zu sehen und andere zu motivieren. In unserem Werkbereich hängt ein Bildschirm, der neben den wichtigsten Unternehmensneuigkeiten täglich einen Motivationsspruch anzeigt. Die Mitarbeiter sollen sich so wertgeschätzt und bestätigt fühlen. Daneben zieren zahlreiche Bilder und Gemälde die Wände, die wir oft auch jungen Künstlern abgekauft haben, um sie zu unterstützen. Auch unsere Mitarbeiter versuchen wir in ihren künstlerischen Fähigkeiten zu unterstützen. Einige Bilder sind von ihnen selbst entstanden. Kunst soll helfen, innezuhalten, sich mit Leben und Energie füllen zu lassen, um wieder positiv und inspiriert an die Arbeit zu gehen.

NETWORK: Sie pflegen eine sehr offene Unternehmenskultur. Was motiviert sie dazu?

Rios: Mir ist es wichtig, das Gute in jedem Menschen zu sehen und jeden Tag positiv anzugehen. Gemeinsam mit meinem Mann setze ich mich für die Mitarbeiter ein. Das wirkt sich natürlich auf unser Verhältnis zu ihnen aus. Es ist mir wichtig, dass jeder seinen Platz im Unternehmen findet und sich voll entfalten kann. Auch wenn mal etwas nicht klappt, bei uns hat jeder eine zweite Chance verdient.

NETWORK: Sie sprechen sieben Sprachen und haben viel gesehen in der Welt. Was begeistert Sie im Vergleich zu anderen Regionen an Waldeck-Frankenberg?

Rios: Hier muss ich keine Parkplätze suchen und habe dadurch viel mehr Zeit (lacht). Im Ernst, was mir besonders gut am Landkreis gefällt, ist die offene Mentalität der Menschen und die flache Hierarchie. Ich schätze den direkten und persönlichen Kontakt sehr, der hier deutlich einfacher ist als beispielsweise in Stuttgart oder Paris, wo ich zeitweilig auch berufstätig war.

NETWORK: Gibt es etwas, dass Sie sich für die Zukunft wünschen?

Rios: Mein Mann und ich haben vor kurzem das Institut INES? ins Leben gerufen. Ich wünsche mir, dass es in der Region gut angenommen wird und junge Menschen anzieht, die Kunst, Musik, Literatur und Intellekt zusammenwerfen und jammen. Für unser Unternehmen wäre es zudem wichtig, dass sich Universitäten mehr in Richtung Leitertechnik entwickeln und spezialisieren, indem sie zum Beispiel einen Studiengang in dieser Fachrichtung anbieten. Da liegt noch viel Potential.

NETWORK: Herzlichen Dank für das schöne Gespräch und alles Gute für die kommenden Projekte!

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