Neuschäfer bindet Mitarbeiter mit individuellen Arbeitszeiten
27.02.2019 • Interview • www.herz-der-wirtschaft.de
Geht nicht gibt‘s nicht: Das sagt Filomena Rios, strategische Vertriebsleiterin beim M+E-Unternehmen Neuschäfer Elektronik GmbH im hessischen Frankenberg. Rios, die sich auch um die strategische Personalarbeit kümmert, ist überzeugt, dass Flexibilität bei der Gestaltung von Arbeitsverhältnissen grundlegend für die Mitarbeiterbindung und den Unternehmenserfolg sind. Denn wer flexibel auf Arbeitszeitwünsche eingeht und Mitarbeitern so Zeit für Privates lässt, hat zufriedene Mitarbeiter.
Flexibel sollten ihrer Meinung nach auch Arbeitsverträge bei Neueinstellungen sein. Weshalb die Politik Befristungen nicht weiter einschränken sollte und wie Flexibilität auch bei der Beschäftigung von Älteren und Bewerbergruppen wie Flüchtlingen hilft, erklärt sie im Interview.
Frau Rios, wie flexibel sind Sie, wenn Mitarbeiter ihre Arbeitszeit selbst bestimmen möchten?
Rios: Im Gespräch mit unseren Mitarbeitern finden wir immer eine Lösung. Wir haben eine Kernarbeitszeit von 8 bis 17 Uhr. Wenn aber zum Beispiel ein Mitarbeiter sein Kind immer um 14 Uhr von der Schule abholen muss, passen wir seine Arbeitszeit so an, dass er entsprechend früher kommt und geht. Eine andere Mitarbeiterin hat ihre Arbeitszeit für eine gewisse Zeit reduziert, damit sie ihre Mutter pflegen kann. Uns als Familienunternehmen ist sehr wichtig, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie stimmt. Denn Mitarbeiter, die Zeit für ihre Familie haben, sind ausgeglichen und damit auch gute Mitarbeiter.
Bietet das aktuelle Arbeitsrecht Ihnen genügend Spielraum, um den Wünschen Ihrer Mitarbeiter nach individuellen Arbeitszeiten entgegenzukommen?
Rios: Wir halten uns an die Vorschriften zur maximalen täglichen Arbeitszeit und auch an die Ruhezeitregelung zwischen den Arbeitstagen. In diesem Rahmen schauen wir, dass wir die Arbeitszeitbedürfnisse unserer Mitarbeiter erfüllen. Dazu können sie nach Absprache mit dem Abteilungsleiter auch ins Plus oder Minus gehen und es dann zu anderen Zeiten ab- oder aufbauen. Natürlich wäre es aber schön, wenn es hier von der Politik weniger starre Regelungen gäbe.
Ist Flexibilisierung auch ein Mittel, um im Fachkräftemangel Personal zu gewinnen und zu halten?
Rios: Auf jeden Fall. Wir werben damit, dass wir flexible Arbeitszeiten anbieten und wurden vom Landkreis Waldeck-Frankenberg gerade als familienfreundliches Unternehmen ausgezeichnet – eben, weil wir bei der Arbeitszeit auf die Mitarbeiterbedürfnisse eingehen. Zudem übernehmen wir die Kindergartenkosten für Mitarbeiterkinder. Flexibel zu sein hilft uns auch, Mitarbeiter fürs Unternehmen zu gewinnen, die wir zunächst nicht voll einsetzen können. Zum Beispiel haben wir drei Flüchtlingsfrauen eingestellt, die in den ersten acht Monaten nur mit 50 Prozent bei uns im Betrieb waren und in der restlichen Zeit eine Schule besucht haben. Jetzt arbeiten sie Vollzeit bei uns und sind ganz tolle Mitarbeiterinnen.
Wie flexibel sind Sie, Beschäftigte auch nach dem Renteneintrittsalter weiter zu beschäftigen?
Rios: Wir haben einen Mitarbeiter im Rentenalter, der gesagt hat „Ich bin noch zu fit, um aufzuhören, und mir macht es Spaß, neue Sachen im Team zu entwickeln.“ Er arbeitet mit einem Minijob weiter bei uns, wann immer es ein Projekt gibt, wo wir Bedarf haben. Es gibt sehr viele eloquente Mitarbeiter auch über 60 Jahren, die noch richtig fit im Kopf und mitten im Leben sind. Wenn die bei uns weiterarbeiten möchten, sollte das auch von den rechtlichen Regelungen unkompliziert möglich sein.
Was tun Sie, wenn der Arbeitsanfall bei Ihnen phasenweise hoch oder der Personalbedarf schwer planbar ist? Sind dann Zeitarbeit oder befristet Beschäftigte für Sie wichtig?
Rios: Zeitarbeit ist bei uns kein Thema, weil sie bei uns wegen unserer komplexen Produkte und einer langen Einarbeitungszeit nicht praktikabel ist. Spitzenbelastungen mit bis zu 150 Prozent Kapazitätsauslastung können wir mit unserem Personal abfedern. Ich weiß aber, dass das für andere Firmen ein sehr wichtiges Instrument ist. Befristungen sind dagegen für uns sehr wichtig. Und zwar für beide Seiten, um sich besser einzuschätzen. Zum einen braucht es eine gewisse Zeit, um die Produkte kennenzulernen und zu schauen, ob der Mitarbeiter sich im Team wohlfühlt und auch hineinpasst. Zum anderen haben wir viele internationale Bewerber, zum Beispiel aus England, Spanien und Italien. Die müssen sich bei uns erstmal einleben, auch das braucht Zeit. Solange ist es ungewiss, ob sie sich ein Leben hier und die Arbeit bei uns auf Dauer überhaupt vorstellen können.
Die Politik will die Befristungsmöglichkeiten durch die sachgrundlose Befristung weiter einschränken. Als Befristungsmöglichkeit bleibt dann vor allem die Sachgrundbefristung, also die Befristung mit Angabe eines Sachgrundes, z. B. wegen vorübergehendem Bedarf oder als Elternzeitvertretung. Ist das für Sie eine Alternative?
Rios: Erst einmal halte ich nichts davon, die Dinge noch komplizierter zu machen. Wir leben in einer globalisierten Gesellschaft, die flexibler ist denn je. Dazu passt es nicht, wenn Flexibilitätsspielräume wie die sachgrundlose Befristung weiter eingeschränkt werden. Und dann ist die Sachgrundbefristung keine wirkliche Alternative. Der Sachgrund kann jederzeit juristisch angefochten werden, denn wie definiert man beispielsweise einen vorübergehenden Bedarf oder ist eine Elternzeitvertretung noch eine Elternzeitvertretung, wenn die Aufgaben nicht exakt die sind, die die zu vertretende Person gemacht hat? Die Sachgrundbefristung birgt also viele Unsicherheiten für den Betrieb.
Gibt es auch Arbeitsplätze, bei denen sie die Arbeitszeiten aufgrund von betrieblichen Abläufen nicht so flexibel gestalten können?
Rios: Da gibt es bei uns keine Beschränkungen. Wir haben für jeden Arbeitsplatz eine Redundanz, das heißt, es gibt immer mehrere Mitarbeiter, die die gleiche Arbeit machen. So kann immer jemand übernehmen, wenn ein Kollege früher geht, später kommt oder eine Auszeit nimmt.
Frau Rios, vielen Dank für das Gespräch.